Die Geschichte zur Geschichte/Konzeption und innerer Aufbau

 

Himmelskrieger ist ein Politthriller, in dessen Verlauf eine übernatürliche Realität einbricht.

 

In einem früheren Verlags-Exposè schrieb ich:

Eine unsichtbare Realität ist Grundlage der Wirklichkeit, wie wir sie kennen. Das ist der Grundgedanke dieses Romans aus dem Genre der ›zeitgenössischen Fantasy‹, der in Gestalt eines Polit-Thrillers daherkommt, und spannungsvoll den ewigen Konflikt zwischen Licht und Finsternis thematisiert. Ein kosmischer Kampf unvorstellbaren Ausmaßes tobt hinter den Kulissen der sichtbaren Welt. Es sind Engel, die gegen Dämonen kämpfen, und dieser Krieg ist es, der letztlich unser Schicksal bestimmt. Das Schlachtfeld sind Gedanken, der Preis unvorstellbar. (...)

 

 

Rote Linien

Der Thriller ist sehr komplex angelegt, und nach der Meinung etlicher Leser zu urteilen, ist es mir auch weitgehend gelungen, diese Vielschichtigkeit zu einem stimmigen Ganzen zu vereinen. 

Diese Komplexität rührt vielleicht daher, dass unser Leben (auch das des Autors) extrem bunt und mannigfaltig sein kann, und in dieser atemlosen Brillanz hinzudeuten vermag auf eine Wirklichkeit, die die unsere weit übersteigt, so dass wir vor Staunen nur unsere Knie beugen können.

Mein großes literarisches Vorbild ist J.R.R. Tolkien, der es wie kein zweiter verstanden hat, das große Wunder des Lebens in eine fast mythologische Form zu bringen, die uns verzaubert, und uns in Entzücken versetzt, ohne, dass wir genau wissen, warum. Daher war es eine besondere Freude für mich, als ein Rezensent, der von diesen Gedanken sicher nichts ahnen konnte, mein Werk mit 'Herr der Ringe' in Verbindung brachte.

 

Manch einer wird sich nun fragen: Was um Himmels willen hat ein moderner Politthriller mit einer mythologischen, wuchtigen Erzählung wie 'Herr der Ringe' zu tun?

Eine Erklärung von Tolkien zu seinem Werk hat mich fasziniert. Er vertrat das Konzept einer Eukatastrophe: Die Eukatastrophe ist das Gegenstück zur Katastrophe, und bezeichnet ein plötzliches, unerwartetes Eintreten von ›Faktoren‹, die eine verzweifelte, aussichtslose Situation zum Guten wenden. Dieses überraschende und positive Eingreifen von einer Seite oder aus einer Richtung, von der man es nie erwartet hätte, schreibt er in seinen Werken Kräften zu, die von außerhalb unseres menschlichen Erkenntnishorizontes  kommen. Die Literaturwissenschaftlerin Cordelia Spaemann beschreibt diese Sichtweise Tolkiens folgendermaßen: Tolkien beschreibt eine Naturnotwendigkeit. Der Mensch wird sich auf eine Weise 'be-kehren', indem er seine Handlungsweise den universellen Naturgesetzen anpasst. Es ging Tolkien um nichts Geringeres als darum, die Welt noch einmal zu schaffen (...) Dieser Aufwand war notwendig, um die moderne Welt von etwas zu überzeugen, das es eigentlich gar nicht mehr geben konnte: Den möglichen Sieg über die böse Macht.

 

In meinem Roman bilde ich die nüchterne Realität, in der wir leben, sehr deutlich ab, so wie sie eben in ihrer ganzen Härte und Brutalität sein kann, denn oftmals entscheidet sich der Mensch für das Böse bereits in Gedanken, und das ist die Saat für jedes 'böse' Werk ...

Dieses 'Böse' aber ist tatsächlich böse und seine ihm innewohnende destruktive Kraft geht - wie auch in Tolkiens Werk - über moralische Kategorien weit hinaus.

Aber in der verzweifeltsten Lage, im Herzen der Dunkelheit scheint ein Licht. Dieses Licht gleicht einem Stern des Morgens, der aufstrahlt, wenn es am dunkelsten ist. Tolkien selbst schrieb darüber in seinem Aufsatz 'Über Märchen'. Der Trost des Märchens, die Freude über den glücklichen Ausgang, die plötzliche Wendung zum Guten ist eine wunderbare Gnade. Die Eukatastrophe aber zeigt uns in einem kurzen Aufblitzen, dass es eine höhere Antwort geben mag - einen fernen Widerschein oder ein Echo (...) in der wirklichen Welt.

Aber nichts kommt aus dem Nichts. Woher stammt also dieses Licht? Tolkien verriet es nicht, und auch ich halte es für weise, es ihm gleich zu tun ...

Die zweite Grundannahme, die sich durch das Buch zieht, und wieder verweise ich auf Tolkien, ist diese: Die tiefste Sehnsucht des Menschen ist es, eine Geschichte aktiv mitzugestalten, die größer ist als man selbst.

In Anlehnung an diesen Gedanken, den keineswegs allein Tolkien formulierte, lautet mein Untertitel 'Die größere Wirklichkeit'.

Als Pädagoge, der oft in einem therapeutischen Setting arbeitet, kann ich nur bestätigen: Der Mensch ist zutiefst unglücklich, wenn er nicht zu einer 'Vision' von Dingen gelangt, die sein eigenes Ich weit übersteigen. Damit meine ich keine bloße Fantasie oder eine Art ›Über-Ich‹, wie Nietzsche es formulieren würde. Weder meine ich eine ziellose Hoffnung auf irgend ein Weiterleben nach dem Tod, noch eine Art ›Positives Denken‹ vieler esoterischer Bemühungen.

Ich spreche vielmehr von einem tiefen Bewusstsein, einem existentiellen Überzeugtsein einer Realität, die die unsere übersteigt. Einzig dieses Bewusstsein hat Tolkien zu seinem gewaltigen Werk inspiriert und auch motiviert, wie wir aus zahlreichen Briefen von ihm wissen.

Diese Erkenntnis hat auch mich bewegt. Mich faszinierte, dass es möglich ist, im Sumpf von Lüge, Korruption und Verschleierung, diese Wahrheit tatsächlich zu finden. Zu erkennen, dass die destruktiven Kräfte dieser Welt, die oft so massiv und siegreich scheinen, nicht das letzte Wort haben! Dass jeder Mensch dazu herausgefordert ist, mit ganzem Eifer nach Dingen zu suchen, die seine eigene Welt, seine Deutung der Welt, übertreffen ... 

Allen meinen Lesern wünsche ich daher beim Lesen dieses ›Aha-Erlebnis‹, wie ich es selber beim Schreiben hatte: So also könnte es tat-sächlich sein …

 

 

Politischer Bezug

Neben diesen eher philosophischen Überlegungen wollte ich einfach einen guten, spannenden Thriller über ein Thema schreiben, dass mich schon immer faszinierte, aber auch schockiert(e): Den Nahostkonflikt im weitesten Sinn, also inklusive der Vorgeschichte, die Jahrtausende in die graue Vorzeit zurückreicht.

Hinter keinem Konflikt der Welt verbergen sich solch tiefe historische, religiöse und kulturellen Wurzeln. Über keine Stadt der Welt wurde so viel geschrieben (in Mythen, in modernen Medien, in Legenden der Vergangenheit) wie über Jerusalem, über die 'heilige Stadt'.

Ist es da ein Wunder, dass der Kampf über die Deutungshoheit menschlicher Geschichte zu einem gut Teil in und mithilfe der Stadt des Friedens ausgefochten wird? Dass so viele ambivalente Kräfte so verbissen um dieses Fleckchen Erde ringen?

So gibt es tatsächlich das Jerusalem-Syndrom, eine anerkannte Diagnose, die eine psychotische Störung bezeichnet, die so nur in dieser Stadt auftritt. Die geistliche Atmosphäre Jerusalems kann in der Tat so 'verwirrend' sein, dass viele Menschen sprichwörtlich in den Wahnsinn getrieben werden ... Man denke nur an die über 80 Zerstörungen, die Jerusalem in seiner 4.000-jährigen Geschichte erdulden musste. Man erinnere sich an die brutalen Kämpfe zwischen Richard Löwenherz und Saladin um diese Stadt, an die Schilderungen des antiken Geschichtsschreibers und Zeitzeugen Flavius Josephus, der uns berichtet, wie die römischen Soldaten in ihrem Grimm und Hass die Gefangenen zum Spotte, jeden in einer anderen Stellung ans Kreuz nagelten, und ob ihrer Masse wurde der Raum für die Kreuze, die Kreuze aber für die Leiber der Opfer zu wenig (...)

Wie Kaiser Hadrian diese Stadt in seiner Erbitterung über den Widerstand der Juden umbenannte in Aelia Capitolina, und die Provinz Judäa in Syria-Paelestine, 'damit der Name der Juden kein Gedenken hat unter der Sonne …'

 

In kaum einer Stadt, in kaum einem Land ist die Tragik, aber auch die Schönheit des Menschen so sichtbar geworden wie an diesem geheimnisvollen Ort. So ist sie ein Symbol geworden für etwas Ewiges; ob man nun daran glauben will oder nicht - da der Glaube des Menschen manchmal nebensächlich ist, und der Himmel sich nicht an die kleinen Gedanken der Menschen hält ...  

 

Harte politische Realität habe ich in diesem Thriller bewusst mit Fiktion vermischt, und es wäre durchaus in meinem Interesse, gelänge es, den Leser zu inspirieren, sich tiefer mit dieser so wichtigen Thematik zu beschäftigen.

Denn es geht in diesem Konflikt mit offen antisemitischen Kräften, die allerorts zur Vernichtung der Juden aufrufen, nicht zuletzt um das Verständnis und Selbstverständnis von Demokratie, um das Erkennen, welche Werte wir zu verlieren haben, und auch um die tödliche Ideologie einer Religion, die mehr totalitäres System ist denn Religion, und die mit ›Frieden‹ nicht viel gemein hat, auch wenn dieses Wort oft und bewusst falsch in diese Richtung übersetzt wird. 

Die politischen Zeiten, die auf uns zukommen, werden nicht besser, und vieles wird schwieriger und konfliktreicher, und aus diesem Grund besitzt Tolkiens Zweitschöpfung, sein Konstrukt einer Eukatastrophe seine Berechtigung und seine innere Notwendigkeit.

 

 

Heilung von Wunden

Doch neben dem Großen geht es auch um das Kleine, welches  vielleicht das Größte ist ...

So geht es im Roman nicht zuletzt um Heilung, die daraus erwächst, dass man sich seinen Schmerzen stellt, und echt wird im Angesicht des Größeren, wozu das ehrliche Eingeständnis gehört, eben nicht alles in der Hand zu haben.

Dass Liebe gerade aus Zerbruch erwachsen kann, das Wunder des Lebens aus dem Tod, das sind Themen, die so grundlegend für das menschliche Erleben sind (und meist tief verborgen in der Psyche), dass ich sie ebenfalls streife.

Meine Befürchtung, dass durch die Komplexität des Stoffes, die Spannung und Zuspitzung einiger Sequenzen leidet, hat sich glücklicherweise nicht bestätigt. Vielmehr habe ich die Rückmeldungen erhalten, dass das Buch 'vor lauter Spannung nicht mehr aus der Hand zu legen war', 'es schwierig war, Terminen nachzufolgen', oder das dieser Roman 'an drei Abenden verschlugen wurde' … was will das Herz eines Autors mehr?

 

Zum Schluss sei noch gesagt, dass es mir wichtig war, zu zeigen, wie dicht die atemberaubende Schönheit des Menschen neben seiner Zerbechlichkeit liegen kann, und wie sehr es in der Verantwortung jedes Einzelnen liegt, dieses Geheimnis zu fassen, aufzugreifen, und es zärtlich zu bewahren.

Ich möchte diese Überlegungen mit einem Satz aus dem Epilog des Romans schließen, der sehr gut all das zusammenfasst, was bereits gesagt wurde:

(...) Licht ist stärker als die Finsternis.